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Gastbeitrag von Christoph Ploß MdB und Christina Stumpp MdB 

Schleichende Deindustrialisierung, steigende Abgaben, teurere Energie: Auch deshalb befindet sich Deutschland in vielen internationalen Rankings auf dem Sinkflug. Das Problem liegt nicht nur bei Demographie und Arbeitsmarkt, sondern auch in den politischen Debatten: Wörter wie „Leistung“ oder „Eigenverantwortung“ sind scheinbar aus der Mode gekommen – was nicht verwundert, wenn große Teile der Ampelregierung als Moralapostel statt als Problemlöser auftreten. Um diesen Trend aufzuhalten, braucht es einen grundlegenden Politikwechsel: mehr Investitionen in Infrastruktur und Forschung, schnelleres Planen und Bauen, weniger Bürokratie – und weniger Sozialausgaben nach dem Gießkannenprinzip. Wir brauchen eine neue Prioritätensetzung des Staates – und wir brauchen eine Zeitenwende auch in der Wirtschaftspolitik.

Zu lange punktete bei den Wählern, wer unreflektiert neue Sozialleistungen versprach. Die Rente mit 63 wurde auch aus diesem Gedanken geboren – und ist nun unzeitgemäßer denn je. In der Diskussion um das „Bürgergeld“ der Ampelkoalition fand diese Entwicklung im vergangenen Herbst ihren unrühmlichen Höhepunkt: Nicht wenige rechneten durch, ob es sich überhaupt noch lohnt, arbeiten zu gehen. So kann es in Deutschland nicht weitergehen. Die wirtschaftliche Schönwetterzeit ist vorbei, die bequeme Schönwetterpolitik sollte es auch sein!

Etliche Steuermilliarden gehen in Deutschland an Personen, die keine zusätzlichen Sozialleistungen benötigen. Das Beispiel der wohlhabenden Zahnarztgattin, deren Bezüge bis zur sogenannten „Grundrente“ von der steuerzahlenden Krankenschwester aufgebessert werden, ist leider nicht weit hergeholt. Fördern und Fordern? Fehlanzeige! Dabei hängt die Zukunftsfähigkeit unseres Landes unmittelbar von einem funktionierenden Sozialstaat und einem generationengerechten Rentensystem ab. Bei geringer werdenden Spielräumen im Bundeshaushalt dürfen wir nicht immer neue Sozialleistungen beschließen. Mehr und mehr Bürger erkennen, dass sie am Ende für eine solche Politik mit höheren Abgaben bezahlen müssen. Viele haben das Gefühl: Die Fleißigen sind die Melkkühe, Leistung wird nicht belohnt.

Rentensystem finanziert sich nicht mehr selbst

Knapp ein Drittel der Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung kommt inzwischen aus dem Steueraufkommen. Das als Generationenvertrag gedachte Rentensystem finanziert sich schon lange nicht mehr selbst. Der neue Haushalt der Ampelkoalition sieht Zuschüsse in Höhe von bis zu 117 Milliarden Euro vor – das ist etwa jeder vierte Euro, den der Bund insgesamt ausgibt! 1960 kamen etwa sechs Beitragszahler für einen Rentner auf. Heute finanzieren zwei Beitragszahler einen Rentner. Mittelfristig wird jeder Arbeitnehmer womöglich für einen Rentner bezahlen müssen. Das kann auf Dauer nicht funktionieren.

Wir müssen uns für einen zielgenauen Sozialstaat einsetzen. Dazu sollte etwa die Lebensarbeitszeit an die Lebenserwartung gekoppelt werden. Andere europäische Länder wie Norwegen, Dänemark und die Niederlande gehen diesen naheliegenden Weg schon seit Längerem. Unter Friedrich Merz und dem neuen Generalsekretär Carsten Linnemann hat die CDU endlich den Mut, sich bei diesem wichtigen Thema im Sinne der Generationengerechtigkeit zu positionieren.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ein Dachdecker soll natürlich mit 70 nicht mehr bei Wind und Wetter auf dem Dach stehen müssen. Akademiker oder Büroangestellte hingegen werden etwas länger arbeiten können, um das Rentensystem langfristig zu sichern. Auch uns geht es darum, dass die Leistung von Menschen, die Jahrzehnte hart gearbeitet haben, finanziell anerkannt wird. Aber genauso wichtig ist, dass Altersarmut zielgenauer bekämpft wird und der Sozialstaat dauerhaft leistungsfähig bleibt. Der Staat muss diejenigen unterstützen, die wirklich Bedarf haben und es aus eigener Kraft nicht schaffen können.

Angriff auf das Fundament

Je mehr Steuergeld mit der Gießkanne ausgeschüttet wird, desto weniger bleibt für Bildung, Infrastruktur und Sicherheit. Geplante Mittel für den Aufbau von KI-Systemen werden gestrichen, auf Entlastungen der hart arbeitenden Steuerzahler wird verzichtet, oder man spart bei der Instandhaltung von Straßen, Schienen und Stromnetzen. Wer aber an der Infrastruktur spart, der legt die Axt an das Fundament unseres Landes. Die letzte Unternehmensteuerreform ist bald über 15 Jahre her, eine – übrigens überaus erfolgreiche – Entlastung bei der Einkommensteuer gab es zuletzt vor über 20 Jahren. Genau solche Reformen und Investitionen wären die Grundlage dafür, dass Deutschland wieder international wettbewerbsfähig wird und qualifizierte Fachkräfte zu uns kommen wollen. Nur so können wir den Abstieg stoppen, wieder wirtschaftlich stark werden und damit auch unseren Sozialstaat retten. Die beste Sozialpolitik bleibt eine vernünftige Wirtschaftspolitik. Das muss auch im politischen Berlin endlich verstanden werden.

„Leistung muss sich wieder lohnen.“ Diese Worte Helmut Kohls aus dem Jahr 1982 könnten aktueller nicht sein. Die hart arbeitende Mitte in Deutschland lechzt danach, dass sie wieder wertgeschätzt wird.